Indien – zwischen Faszination und Verzweiflung
Indien polarisiert: Man liebt es oder man lässt es. Wer sich jedoch einmal auf dieses faszinierende Land eingelassen hat und sich nicht von seiner Fremdartigkeit abschrecken ließ, kehrt meist zurück. So erging es auch mir. Bis heute verbindet mich eine intensive Beziehung mit Indien – voller Widersprüche, aber stets bereichernd.
Vom IT-Leiter zum Reiseveranstalter
Meine erste Reise nach Indien unternahm ich als Student – mit Rucksack und öffentlichen Verkehrsmitteln. Später, als IT-Leiter eines deutschen Internetunternehmens, verbrachte ich ein Jahr beruflich in Gujarat. Danach erfüllte ich mir einen lang gehegten Traum: Bei Premji's in Mumbai kaufte ich eine Royal Enfield Bullet und reiste drei Wochen Richtung Süden, über Goa bis nach Kerala.

Auf dieser Reise wurde aus einer Idee ein Plan – und schließlich ein Beruf: Wheel of India war geboren. Ich tauschte Tastatur gegen Tankdeckel, Büro gegen Landstraße und gründete mein Unternehmen für geführte Motorradreisen. Seitdem bin ich mit meinen Gästen zahllose Male durch den Süden Indiens gefahren – durch Kerala, Tamil Nadu und Karnataka – und habe mit ihnen die Berge von Ladakh und Garhwal erklommen oder die Wüstenmärchen Rajasthans erlebt.
Motorradfahren in Indien – ein Abenteuer für die Sinne
Indien ist keine Kulisse für Pauschalreisende – es ist ein Erlebnis für alle Sinne, manchmal auch eine Prüfung für Herz und Hirn. Armut und Pracht, spirituelle Tiefe und gnadenloser Verkehr, betörende Düfte und beißende Abgase – alles begegnet einem gleichzeitig und ungebremst. Wer Indien mit mitteleuropäischen Maßstäben misst, wird sich schwertun. Wer sich jedoch neugierig einlässt, nicht gleich urteilt, sondern erst einmal aufnimmt, wird reich beschenkt: mit Eindrücken, Begegnungen, Perspektiven.
Ich hupe, also bin ich
Dieser Satz beschreibt das Verkehrsverständnis in Indien vermutlich besser als jedes Gesetzbuch. Der Verkehr ist laut, chaotisch und unberechenbar – zumindest auf den ersten Blick. Wer hier fährt, braucht keine Blinker, sondern eine gute Hupe und starke Nerven. Die Straßenordnung? Ein unausgesprochenes Gesetz der Stärke: Lkw und Busse haben Vorfahrt – immer. Dann kommen Autos, Rikschas, Roller und Motorräder. Ganz am Ende: Fußgänger und Radfahrer, rechtlich eher Luft als Teilnehmer.
Und trotzdem – oder gerade deshalb – Motorradland Indien
Ja, wirklich! Denn wenn man das System einmal verstanden hat, sich einlässt auf den Strom, die Logik hinter dem Chaos entdeckt, dann beginnt das große Vergnügen. Indien per Motorrad zu entdecken, ist intensiv, unmittelbar und voller Freiheit. Es gibt kaum ein anderes Land, das sich so vielseitig, so landschaftlich dramatisch und kulturell reich auf zwei Rädern erkunden lässt.
Ob über die Hochebene des Dekkan, entlang palmengesäumter Strände in Kerala, durch dichte Regenwälder und stille Dörfer, über die Gipfel der Western Ghats oder auf abenteuerlichen Routen durch den Himalaya – das Motorrad bringt dich mitten hinein. In das echte Indien. Und vielleicht sogar ein bisschen zu dir selbst.